Anhang zum Protokoll AK HG-Kartographie 26. 11. 1996:

Bericht von Prof. M. Richter, Geographisches Institut der Universität Erlangen über die anlaufenden Arbeiten zu einem deutschen Schwerpunktprogramm


"HOCHGEBIRGE IM WANDEL. RESSOURCEN, RISIKEN UND NACHHALTIGE ENTWICKLUNG"

Basierend auf den Resolutionen der UNCED - Konferenz im Juni 1992 in Rio de Janeiro mit dem Titel "Managing Fragile Ecosystems - Sustainable Mountain Development" und aufbauend auf einer langen Forschungstradition in allen Hochgebirgsräumen der Erde wurden im Rahmen der Arbeitsgruppe "Hochgebirgsökologie" inhaltliche und methodische Konzepte für ein DFG-Schwerpunktprogramm diskutiert, welches unter der grundsätzlichen Leitfrage einer nachhaltigen Entwicklung von Hochgebirgsräumen in einer sich wandelnden Welt stehen soll. Dieser problem-orientierte Ansatz konzentriert sich auf die Teilbereiche der nachhaltigen (Land) Nutzung in Hochgebirgsräumen und den damit verbundenen Möglichkeiten und Einschränkungen (Ressourcen) und Gefährdungen (Risiken):

* Die Ermittlung von naturräumlicher Ausstattung als Basis des Ressourcenpotentials und dessen Inwertsetzung durch die jeweiligen Gesellschaften: Die Ressourcen umfassen in diesem Kontext naturraeumliche Faktoren (Böden, Klima, Wasser, Vegetation usw.), die die Grundlage für direkte Nutzungen (Landwirtschaft, Tourismus, Energie usw.) und indirekte Nutzungen (z.B. Naturschutz) schaffen. Dabei sind die zeitlichen Veränderungen in Natur (Klimaänderungen, potentielle natürliche Vegetationsbedeckung) und Gesellschaft (Wertewandel, Globalisierung) einzubeziehen.

* Die Kennzeichnung und Klassifizierung von Risiken ist als Vorgabe zu verstehen, ökologisch -ökonomisch tragfähige Systeme entwickeln zu können. Dabei sind nicht nur die unterschiedlichen Stufen der Gefährdung, sondern auch deren Bewertung durch die jeweiligen Gesellschaften zu berücksichtigen.

* Die Erarbeitung von Kriterien einer nachhaltigen Nutzung orientiert sich einerseits an den naturräumlichen Verhältnissen, andererseits an den sich wandelnden Bedürfnissen und der unterschiedlichen Einbindung in regionale bis globale Prozesse.Die Ermittlung des Faktorenkomplexes Ressourcen basiert einerseits auf naturwissenschaftlichen Meßverfahren, Beobachtungen und Modellierungen und unterliegt somit klar definierbaren Erhebungsverfahren und Klassifikationsalgorithmen. Wesentliche Aspekte sind:

* Raumausstattung und Charakteristika der nutzungsbezogenen naturräumlichen Schlüsselgrößen.
* Systemare Verknüpfungen.
* Raumskalen und zeitliche Dynamik.

Die Problemdimension Risiken (Hazards) wird naturwissenschaftlich durch eine doppelte Fragestellung thematisiert:

* Belastung, Belastbarkeit und Elastizität der betroffenen OEkosysteme, induziert z. B. durch Nutzung und Hazards.
* Abfolge der Degradierungsprozesse.

Unter Ausnutzung bestehender und weit fortgeschrittener Forschungsarbeiten sollen die Fallstudien für naturräumlich relevante Gebirgstypen (geologisch, orographisch, klimatisch) und für die wichtigsten sozio-ökonomischen Situationen und Entwicklungen repräsentativ sein.

Die Grundlagen solcher Typisierungen wurden im AK Hochgebirgsökologie bereits mehrfach vorbesprochen. Es dürfte gewährleistet sein, daß das Interesse an den verschiedenen Gebirgsräumen so groß ist, daß die Repräsentativität der voraussichtlich sechs bis acht Testgebiete (entsprechend 6 - 8 Forschergruppen) ein realistisches Ziel darstellt.

* Die wissenschaftliche Analyse des Schwerpunktprogramms soll von vorneherein auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Natur- und Sozial-, bzw. Geisteswissenschaften und die Synthese der verschiedenen Teilergebnisse und -be-reiche mit einbeziehen.

Das Innovative des gegenständlichen Forschungsprogrammes könnte darin bestehen, daß erstens die in verschiedenen Gebirgsräumen entwickelten Methoden zusammengeführt und weltweit auf eine gemeinsame Fragestellung angewandt werden, und daß zweitens die Synthese à priori einen zentralen Stellenwert besitzt. Mittels der repräsentativen Auswahl der Testergebnisse lassen sich zudem Analysen erarbeiten, die der Vielfalt des Problemfeldes der "nachhaltigen Entwicklung in der sich wandelnden Gebirgs- und Hochgebirgswelt" gerecht werden.

Dem Arbeitskreis gehören als Proponenten des Programmes neben Prof. M. Winiger, Bonn als Sprecher, folgende Professoren an:
W. Batzing, Erlangen, H. Kreutzmann, Erlangen, G. Miehe, Berlin, und M. Richter, Erlangen.

Räumlich erstrecken sich die bisher bearbeiteten und noch zu bearbeitenden Gebiete über nahezu sämtliche Hochgebirge der Erde.